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Warum Tannengrün auf Gräbern mehr ist als ein Wintermantel

Ab Mitte Oktober beginnt für uns Friedhofsgärtner eine besondere Zeit: Nach und nach machen wir die uns anvertrauten Gräber winterfest und es beginnt auch die Saison der Tannengrünabdeckungen.


„Es nutzt ja alles nix“, sagen wir gern augenzwinkernd, wenn die Saison ruft – und vielleicht steckt in dem Satz schon ein Teil der Wahrheit. Denn das, was so schlicht aussieht, ist in Wirklichkeit eine der feinsten Arbeiten unseres Handwerks.


Denn: Gute Tannengrünarbeit braucht Zeit. Und sie braucht etwas, das man nicht mal ebenso hat: Erfahrung, Technik, Fingerspitzengefühl und Herzblut.


Ich werde oft gefragt, warum wir das überhaupt machen. Ist das nicht veraltet? Kann man das Grab nicht einfach so lassen, wie es ist? 

Natürlich kann man. Aber es gibt auch gute Gründe es nicht „einfach so zu lassen”. Und ich erkläre dann sehr gerne warum.


Tannengrün schützt den Boden wie ein natürlicher Mantel


Frost, eisiger Wind, ständige Wechsel zwischen Tau und Kälte – all das kann die Erde so austrocknen oder heben, dass Pflanzen im Frühjahr geschwächt starten. Das Tannengrün hält Feuchtigkeit, dämpft Temperaturen und sorgt dafür, dass im März nicht plötzlich alles aussieht, als hätte der Winter mit dem Spaten zugeschlagen.


Wer also möchte, dass ein Grab auch in den Wintermonaten würdevoll und gepflegt aussieht und Bodendecker oder Stauden, die nicht aus unseren heimatlichen Gefilden stammen, auch gut durch die kalte Jahreszeit kommen, der kommt an einer guten Tannenabdeckung eher nicht vorbei.


„Gut“ ist eben nicht gleich „hinlegen und fertig“


Viele Menschen nehmen nur die Zweige obenauf wahr. Was ihnen entgeht, ist das, was wir Friedhofsgärtnerinnen und Friedhofsgärtner im Blick haben: Linienführung, Aufbau, Struktur, Haltbarkeit, die Balance zwischen Natürlichkeit und Ordnung.


Außerdem: Ein Zweig kann zu schwer sein, ein anderer zu weich. Manche Sorten halten perfekt, manche verlieren schneller Nadeln. Und der Boden darunter bestimmt, wie die Abdeckung gelegt werden muss.


Ich sage gern: „Ein Tannenzweig sagt dir schon, wie er liegen will. Du musst ihm nur zuhören. Und das ist nichts Romantisches, sondern Erfahrung und Handwerk.”


Wir arbeiten ausschließlich mit frischem, hochwertigem Grün: Nordmanntanne, Nobilistanne, Gelbe Scheinzypresse. Aus Nachhaltigkeitsgründen verwenden wir als Einfassung und Umrandung kein Islandmoos mehr, sondern verwenden ausschließlich Schafswollstreifen.

 

Und ob die gesamte Grabfläche abgedeckt wird oder nur die Beetfläche für die Wechselbepflanzung, hat unterschiedliche Gründe: Manchmal ist es der Wunsch der Angehörigen, das gesamte Grab mit Tannengrün abzudecken, oder es gilt nichtheimische Stauden zu schützen. Ein anderer Fall kann sein, dass ein frisches Grab, das noch keinerlei Bepflanzung bekommen konnte und auch noch keinen Grabstein hat, gepflegt und würdevoll durch die Wintermonate kommt und – nicht zu vergessen – auch so den Angehörigen Trost schenken kann. Unsere heimischen Stauden und Bodendecker kommen in der Regel gut durch den Winter, hier beschränken wir uns dann auf die Beetflächen.


Eine Geschichte, die mich bis heute bewegt

 

Vor ein paar Jahren, da hat mich eine ältere Dame gebeten, ihrem kürzlich verstorbenem Mann „etwas Schönes für den Winter zu machen“. Als ich fertig war, kam die Dame vorbei.

Sie schaute lange, ganz lange und ich dachte schon, es gefiele ihr nicht.

Doch dann drehte sie sich zu mir um und sagte nur:

„Danke. Jetzt hat er es auch schön warm.“


Mehr braucht man nicht, oder? 


Es nutzt ja alles nix: Der Winter naht.

Aber, wie ein Grab durch den Winter kommt, das können wir beeinflussen.

Und genau das tun wir.